Laufbericht Zugspitz Ultratrail 2016

Alternativer Titel 1: Mudrace goes Ultratrail!
Alternativer Titel 2: Darf es ein bisschen mehr sein?

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2016 ist das Jahr meines UTMB-Starts, für dessen Startplatz ich im dritten Anlauf endlich das nötige Losglück hatte. Folglich bedurfte es noch eines Vorbereitungsrennens, das mit möglichst wenig logistischem Aufwand verbunden sein sollte. Was lag also näher als ein Abstecher aus Unterschleißheim nach Grainau, zum Zugspitz-Ultratrail?

Da ich nicht übernachten wollte, machte ich mich am Morgen des 18. Junis um 4:00 Uhr auf den Weg ins schöne Zugspitzland. Rucksack, Dropbag und Tasche für das Ziel warteten bereits im Auto. Um 5:15 Uhr parkte ich vor dem Kurhaus in Grainau, in dem das Starterbüro für den ZUT traditionell untergebracht ist. Schnell waren die Formalitäten geklärt, der Starterbeutel samt Inhalt und vor allem die Startnummer wechselten den Besitzer, und ich konnte noch ein kleines Pläuschchen mit Uta halten (der Chefin des Veranstalters), die mir noch einen bis dahin fehlenden Kaffee besorgte. Lieben Dank nochmal dafür!

Auf dem Parkplatz war mittlerweile hektische Betriebssamkeit. Die Feuerwehr half den Suchenden Parkplätze zu finden, versuchte dem Andrang der 2.500 Starter Herr zu werden, und überall wuselten Läufer herum, die ihren jeweiligen letzten Vorbereitungen nachgingen.

Zugspitze bei Sonneaufgang

Ich prüfte nochmal die Vollständigkeit meines Rucksacks und verbummelte noch ein wenig Zeit im Auto, da es draußen mit 10 Grad Celsius doch noch recht frisch war. Die Wetteraussichten waren bescheiden: Noch begrüßte mich die Zugspitze mit einem alpenglühenden Sonnenaufgang, für nachmittags waren aber ergiebige Schauer und auch eine Neigung zu Gewittern vorhergesagt. Speziell auf Letztgenannte hatte ich nach meinen Erfahrungen beim Lavaredo Ultratrail keine Lust.

Mir ging speziell die Frage durch den Kopf wie gut meine Vorbereitung reichen würde. Durch das Training in Unterschleißheim hatte ich kaum Höhenmetern in den Beinen. Während im Sauerland 10 km durchschnittlich ca. 300 Hm haben, kommt man in Unterschleißheim auf 5 Hm. Aber nur wenn man es auch drauf anlegt… 🙂 Außerdem war der Trainingsumfang etwas kleiner als sonst und so hatte ich maximal 7 Stunden und 82 km Training pro Woche in den Beinen – vermutlich deutlich weniger als der ein oder andere Mitläufer.

6:45 Uhr machte ich mich auf den Weg in den Startbereich. Die Taschenkontrolle war mit meinem fetten, an einen Kamelhöcker erinnernden Rucksack schnell passiert. Dass da etwas fehlen könnte, war schon aufgrund des Volumens ausgeschlossen. Im Startbereich traf ich Wolfgang, einen Wegbegleiter bei den 4-Trails 2012 und so verging die Wartezeit wie im Nu. Die Strecke sollte in einem top Zustand sein, wurde im letzten Briefing vom Streckenchef durchgegeben.

Pünktlich um 7:15 Uhr wurden wir bei strahlendem Sonnenschein auf die Strecke geschickt. Ich hatte mir fest vorgenommen, die Herzfrequenz nie über 172 hochzuziehen, den Bereich in dem es bei mir anaerob wird. Was soll ich sagen, ich habe mich dran gehalten! 🙂

Nach den Kilometern zum Einrollen, die von Grainau aus Richtung Hammersbach führen, ging es rechts ab auf den Zubringer zur Höllentalklamm, die meine Familie und ich vor wenigen Wochen erst erwandert hatten. Da ich wusste, dass nun die ersten steileren Anstiege kommen würden, wollte ich meine Stöcke entfalten. Und da waren Sie wieder, meine zwei Probleme… Dank Karbonfaser war zwar nichts kaltverschweißt, dafür kam bei dem einen Stock der Knopf des Arretiermechanismus nicht raus. Warum macht man solche Teile nicht aus Edelstahl (und die Stöcke ggf. etwas teurer)? Bei einem Transpirator wie mir kann es bei einer dämlichen Zinkschicht nur zur Korrosion kommen. Einmal Ultramarathon entspricht etwa einem 720 h Salzsprühnebeltest… 😉 Wie dem auch sei. Die nächsten Kilometer war ich dann damit beschäftigt den Mechanismus gängig zu bekommen. Schon mal an einem angerosteten Knopf gelutscht? Lecker. Zum Glück habe ich es dann irgendwann geschafft. Sonst hätte ich an diesem Tag ein ECHTES Problem gehabt.

Vor der Höllentaleingangshütte waren wir rechts in den Pfad Richtung Eibsee abgebogen. Herrlich zu laufen, aber ein wenig matschig. Ich – und auch die anderen Teilnehmer – war damit beschäftigt, den dicksten Pfützen und Matschstellen auszuweichen. Wir wussten zu dem Zeitpunkt ja auch noch nicht, was uns als top Streckenverhältnisse im weiteren Verlauf erwarten würde…

An der Ehrwalder Alm vorbei wurde an der Pestkapelle noch fix verpflegt, um dann aus dem Skigebiet hinaus auf die schönen Trails Richtung Gatterl zu kommen. Vor der Mure Richtung Gatterl musste ich kurz über das „Gefährliche Stelle“-Schild schmunzeln. Was da die Franzosen bei ihren Läufen alles aufstellen müssten… 😉 Oben pfiff ein mächtiger Wind und der Himmel verhieß mittlerweile auch nichts Gutes mehr. Also: Das ganze Geraffel ab, Regenjacke rausgekramt und weiter. Das Gatterl präsentierte sich einige Minuten später von einer noch unfreundlicheren Seite: Hagel und eisig kalter Wind. Aufgrund meiner Erfahrung vom Lavaredo Ultratrail also: Das ganze Geraffel ab und Handschuhe und Mütze rausgekramt. Weiter jedoch nicht sofort, da ich die blöden Handschuhe nicht anbekam, die etwas eng sind. Dafür sind die Kerle wasserdicht, was später noch vorteilhaft sein sollte.

Bei dem ganzen raffeln ist mir auch noch meine Startnummer eingerissen. Zum Glück war die auch umgekehrt gelocht, so dass ich dann einer der wenigen Starter war, die die Startnummer auf dem Kopf befestigt haben… 🙂

Die Temperatur auf meiner Uhr war mittlerweile auf 10 Grad Celsius gesunken. Da ich von unten noch als Heizung wirke, folglich deutlich unter 10 Grad Außentemperatur. Wenn das Wetter so bleiben sollte, würde der Lauf wohl ein großer Spaß. Begleitet von den Hagelkörnern ging es zum Feldernjöchl, das die höchste Stelle des Rennens markiert. Zum Verweilen zu ungemütlich, deshalb lieber direkt in den Downhill: Hinunter durch große Restschneefelder. Die Bergwacht hatte zwar ein Sicherungsseil zur Verfügung gestellt, aber dafür ist schlindern doch viel zu lustig. 🙂 Mit trockenen und vor allem warmen Füßen hatte es sich jetzt, auf den Bart gelegt habe ich mich auch einmal, trotzdem sehr spaßig! Unterhalb der Schneefelder wurde der Weg zusehends matschiger, die Schuhe immer brauner. Aber das sollte erst der Anfang sein.

Der Hagel hatte mittlerweile aufgehört und der Himmel sah wieder freundlicher aus.

Einen Auf- und Abstieg weiter befand ich mich auf dem Weg hinunter zur Hämmermoosalm. Vorletztes Jahr hatte ich diesen Weg verflucht. Grober Schotter und in der prallen Sonne. Der Weg war ausgebessert worden und ließ sich flüssig und flott hinunterlaufen. An der Alm dann der Verpflegungshöhepunkt schlechthin: Leckere Kartoffelsuppe! Dieses Jahr das Highlight der Verpflegung beim ZUT! Ich fräse mich eh immer von links nach rechts durch das Buffet. Kuchen, Obst, Käse, Wurst, Suppe. Gemüse lasse ich meist weg. Dafür fräse ich mich dann manchmal noch einmal in umgekehrter Reihenfolge zurück. In der Hämmermoosalm dauerte das 10 Minuten. 🙂

Gemeinsam mit einem Belgier sinnierte ich auf dem Weg zum Scharnitzjoch, warum wir diesen Sport eigentlich machen. Unterwegs kommen einem so Fragen manchmal… Vom Scharnitzjoch hinab folgte dann ein langer Downhill, der dieses Jahr eine besondere Tücke hatte: Matsch. Und ich meine Matsch. Nicht ein bisschen Matsch, sondern meterbreit und gefühlt kilometerlang. Der Belgier war etwas voraus, da ich mich um einen Stein von der Kategorie „Kann nicht ignoriert werden“ in meinem Schuh kümmern musste. In meiner Aufholjagd überholte ich zwei Teilnehmer, die oberhalb vom Matsch durch die Wiese staksten. Ich nicht: Volle Pulle geradeaus. An einer Stelle war es dann aber so matschig (10-15 cm tief), dass das Profil meiner Schuhe technisch keinen Grip mehr bieten konnte, da ich schlicht und einfach nicht mehr auf den festen Boden kam. Somit schlug ich mit der gesamten linken Seite im größten Matschloch östlich vom Scharnitzjoch auf. Alles dreckig. ALLES. Beide Stöcke, beide Hände, mein linkes Bein, der Rucksack, meine Jacke. Die Stöcke konnte ich die nächsten Kilometer nicht mehr einsetzen, da der Matsch eine extrem gute Schmierschicht bildete. Den hätte ich mal für den klemmenden Knopf am Anfang gebraucht… Und was kommt nicht, wenn man aussieht wie ein Oger, der gerade sein Schlammbad genommen hat? Ein Bach. Der Schlamm krustete also allmählich fest, während ich auf dem Weg zur Dropbag-Station war. Schließlich kam dann ein Bach, den ich nutzte, um zumindest die Griffe der Stöcke und meine Hände vom Schlamm zu befreien.

Dreckig

An der Verpflegungsstelle musste ich dann mehrfach erläutern, dass ich den Hauptgewinn mit dem Riesenschlammloch gezogen hatte. Eigentlich wollte ich mir nur trockene Socken und Shirt anziehen. So entschloss ich mich auch die Hose noch zu tauschen und machte mich nach 20 Minuten fast „wie neu“ wieder auf den Weg. Es lief erstaunlich gut und der Fahrradweg Richtung Mittenwald verging wie im Flug. Ich lief auf Christian auf, einen Läufer aus Wuppertal. Da unser Tempo gut passte, liefen und quatschten wir die nächsten Kilometer gemeinsam.

Von Mittenwald aus zogen sich die nächsten Kilometer bis zum Ferchensee wie Kaugummi. Mir ging es immer noch gut, anscheinend hatte ich aber an der letzten Verpflegung nicht genug gegessen. Da mich am Schloss Ellmau plötzlich und unerwartet die Keule des Hungerasts traf, ließ ich Christian ziehen und kämpfte mich den fiesen Gegenanstieg des neuen Streckenabschnitts hinauf, den ich definitv reizvoller und abwechselungsreicher finde als die alte Strecke. Unterdessen versuchte ich mit Gel und Iso den Hungerast zu besänftigen. Der Himmel hatte sich wieder verfinstert und kurz vor dem Abstieg hinunter zur Partnachklamm, folgte das altbekannte Prozedere: Geraffel ab, Regenjacke suchen, anziehen und weiter.

Gefühlt 100 Kehren später überquerte ich eine Brücke über die Partnachklamm, um mich dann in den Gegenanstieg zur Partnachalm zu machen, der letzten Verpflegung, bevor es in den Anstieg hinauf zur Talstation des Längenfelders geht.

Bei der Alm angekommen, aß ich erst einmal alles was da war. Also von jeder Sorte etwas – ich habe schon für die anderen Teilnehmer etwas übrig gelassen. 😉 Der Himmel hatte seine Schleusen richtig geöffnet und es goß jetzt wie aus Eimern. Da uns der Anstieg auf knapp 2.000 Meter führen würde, beschloss ich mir ein langärmliges Shirt unter die Regenjacke zu ziehen, die Stirnlampe aufzusetzen und Mütze und Handschuhe anzuziehen – nicht ganz einfach, da am Rande der Party-Zelte auch alles nass war. Und dann fand ich die Regenhose nicht. Auch nicht mit zweimaligem Umgraben meines Rucksacks Alles in allem nochmal eine Pause von 20 Minuten.

Pause und Essen gaben mir einen Schub und ich kam schnellen Schrittes voran. Durch den Regen war der Steig zum Längenfelder ein Bach. Wenn man nicht gerade so tief im Schlamm stand, dass dieser von oben über den Rand des Schuhs kam, so  wurde der Schlamm vom durch den Schuh fließenden Bach wieder entfernt. Eigentlich also eine praktische Sache. Irgendwann nahm der Steig dann ein Ende (unterwegs glaubt man nach einer Weile nicht mehr daran) und ich versorgte mich an der Verpflegungsstelle Längenfelder nochmal. Die Tomatensuppe war allerdings gefühlt oberhalb ihres Siedepunkts und ich habe mir den halben Mundraum verbrüht. Die Runde zur Bergstation der Alpsitzbahn war für mich ein Gucken und ich habe sowohl bergauf als auch bergab zahlreiche Läufer überholt. Auf den letzten Metern, bevor mich der Trail wieder an der Verpflegungsstation Längenfelder ausspukte, hat es mich dann nochmal richtig niedergestreckt, da ich auf eine Wurzel statt auf einen Stein getreten habe. Nix passiert, aber das Glas von meiner Laufuhr ordentlich zerkratzt. Das ärgert mich schon.

Nach einem letzten Stück Kuchen habe ich mich dann in den Abstieg nach Hammersbach gemacht, in dem ich wieder einige Läufer überholen konnte. Auch dieser Downhill war nass und glitschig, stellenweise schlammig. Bei der Querung eines Bachs hätte es mich fast in den Bach gehauen, ich konnte mich gerade noch mit der Hand abstützen. Dank wasserdichter Handschuhe wurde es kurz kühl, blieb aber trocken. Und dann kamen sie. Die zwei matschigsten Stellen der gesamten Runde. Wer bis jetzt noch keine dreckigen Schuhe hatte (was eigentlich unmöglich war), der bekam jetzt die Gelegenheit, sich RICHTIG dreckig zu machen. In diesen Wiesenabschnitten, mit knöcheltiefem Matsch, werden wohl Dutzende Läufer Bodenkontakt gehabt haben. Ich nicht, ich hatte mit Matsch ja schon Übung… 🙂

Schnell lief ich von Hammersbach nach Grainau, kassierte unterwegs noch einige Teilnehmer ein und kam nach 18:12 Stunden ins Ziel. Langsamer als vor zwei Jahren, aber besser platziert. Platz 115 von 556 Startern, von denen allerdings nur 350 ins Ziel gekommen sind (Ausstiegsquote 37%). In der Masters Alterklasse bin ich 43. von 195 Startern geworden, von denen 141 ins Ziel gekommen sind (28% Ausstiegsquote).

Mein Ziel, im vorderen Drittel zu landen, ist folglich aufgegangen und mit dem bisschen Training, bin ich darüber mehr als zufrieden! Auch die Erkenntnis, ohne Höhenmeter im Training gut durchzukommen, hat sich so für mich bestätigt. Der UTMB kann kommen! Auch werde ich mich beim UTMB strikt an meine Herzfrequenzen halten. Abgesehen vom Hungerast ging es mir gut und ich konnte auch zum Schluss noch gescheit in der Ebene und bergab laufen.

BTW: Darf es ein bisschen mehr sein? Die Strecke war eh schon 2 km länger angekündigt als in den Vorjahren. Meiner Meinung nach ist es aber noch ein wenig mehr. Bei den Höhenmetern habe ich auch 5.800 statt der angegebenen 5.400 gemessen. Letztlich ist es aber egal. Fertig ist man, wenn man das Ziel erreicht hat. 🙂

BTW 2: Der Salomon Fellraiser ist ein top Schuh für solche Begebenheiten und wird zu meinem dauerhaften Wettkampfschuh. Super Grip auf Steinen, in Wiesen und Matsch. Wo ich auf die Nase gefallen bin, hätte kein Schuh eine Chance gehabt. Ansonsten war ich an vielen Stellen sicherer unterwegs als ich das bei anderen Läufern wahrgenommen habe. Stöcke waren bei den Bedingungen Gold wert, da man sie in rutschigen Situationen immer wieder zum Ausgleichen einsetzen kann.

Für Interessierte: Meine Aufzeichnung aus meiner Garmin Fenix 3.

Plan-B hat wieder einen super Job gemacht. Top organisierte Veranstaltung, an der es nichts zu meckern gibt. Und wer über 100 km auf dem richtigen Weg bleibt, der findet auch die Duschen… 🙂 Danke Uta und Team, es hat wieder riesig Spaß bei euch gemacht!

Funktionscheck…

– Muskelkater: Stufe 6 von 10

– Blasen an den Füßen: Stufe 0 von 10 (KEINE Blasen)

– Blaue Flecken und Schürfwunden: Stufe 2 von 10

– kein Wolf, dank ordentlich Vaseline

– keine blauen Zehen

– starke Müdigkeit

– obowohl ich viel gegessen und getrunken habe, ist mein Gewicht knapp 4 kg gesunken

P.S.: Was fiel mir zuerst in die Hände als ich meinen Rucksack in die Waschmaschine packen wollte? Meine Regenhose. Da kann man mal sehen wie wenig Sauerstoff bei so einem Lauf wohl nur im Gehirn ist. 😉

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