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Laufbericht: Saisonausklang beim Untertage-Marathon 2011 in Sondershausen

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untertage_medaille_kleinStreckenlänge: 42,16 km (Gesamtstrecke)

Aufstieg: 1000 HM, Abstieg: 1000 HM (je Runde ca. 130 Höhenmeter)

Höchster Punkt: -380 Meter unter n. N.

Einstufung: sehr anstrengender Lauf Untertage

Besonderheit: Untertage Rundkurs (700 Meter Teufe) über 8 Runden; je Runde 5,27 km

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Höhenprofil (eine Runde; Höhe in Metern, Distanz in Kilometern):

hoehenprofil_sondershausen_klein

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Alles fing mit einer E-Mail an meine Studienfreunde an, die ich geschrieben hatte, nachdem ich zufällig über einen Laufbericht zum Untertage-Marathon Sondershausen gestolpert war: „Wintertraining: Hier ist noch was Interessantes für den Winter.“ Ein paar Stunden später hatte ich dann zwei Mails im Posteingang, mit sinngemäß folgendem Inhalt: „Wow. Lass uns hinfahren!“. Also wurde aus meinem Spaß Ernst und ein paar Stunden später standen wir auf der Starterliste, die aus organisatorischen Gründen auf 400 Teilnehmer beschränkt ist.

Es würde auf jeden Fall spannend werden, wie ich nach den 3 h 04 min in Frankfurt meine Form bis zum Untertage-Marathon würde halten können. Die fünf Wochen nach Frankfurt reichten schließlich nicht für eine vernünftige Regenerations-, Formaufbau- und Tapering-Phase. Also: Ziemlich suboptimal.

Nach dem höchstgelegensten Marathon Europas ging es dieses Jahr nun auch noch zum tiefstgelegensten Marathon. Das Glückauf-Bergwerk in Sondershausen ist das weltweit älteste und tiefstgelegenste Kali-Bergwerk. Letztmalig wurde 1996 voll gefördert und rund 2,3 Mio. Tonnen Salz ans Tageslicht gebracht. Kali-Salze finden hauptsächlich in der Düngerherstellung Verwendung. Heute wird aber auch wieder gefördert, um Engpässen beim Streusalz zu begegnen.

Nach Einstellung der vollen Förderung wird ein Teil des Bergwerks heute als Erlebnisbergwerk touristisch genutzt. Unter anderem für Lauf- und Bike-Marathons Untertage. Der für Besucher zugängliche Teil befindet sich in rund 480 Metern unter n. N. bzw. 700 Meter Teufe (Bergbausprache für „unter der Erdoberfläche“ (bezogen auf einen bestimmten Referenzpunkt)).

Da Sondershausen rund 300 km von Herscheid entfernt ist, musste am Vortag angereist werden. „Ritter“ Christoph hatte sich, Andi und mir in einer Dreier-WG Quartier in der Burg Großfurra verschafft, in der neben uns noch weitere Sportler nächtigten. Diese hatten allerdings alle schon „Maulwurfserfahrung“ und waren zum dritten, vierten und sogar achten Mal nach Sondershausen angereist. Viele Grüße von hier an unsere Schweizer Tischnachbarn!

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Während des Tischgesprächs diskutierten wir darüber, ob mein barometrischer Höhenmesser funktionieren würde. Theoretisch müsste es ja auch Untertage messbare Druckunterschiede geben. Ich war gespannt. :o)

Am nächsten Morgen ging es dann nach dem Frühstück zum Ort des Geschehens.

Der Zugang erfolgte über den in Sondershausen (rund 60 km nördlich von Erfurt) gelegenen Brügmann-Schacht, in dessen Verwaltungsgebäude die Startunterlagen ausgegeben wurden. Dank der tadellosen Organisation hatten wir nach wenigen Minuten unsere Startnummer und den Transponder für die Zeitmessung in der Hand und konnten uns in die Schlange beim Aufzug einreihen. Da es in der Lagerhalle sehr zugig und kalt ist, sollte man lange Kleidung und eine dicke Jacke anziehen, da man sich unten noch entkleiden kann.

Der Zugang zum Bergwerk ist nur mit Helm gestattet. Zum Laufen wird daher das Tragen eines Fahrradhelms empfohlen. Insgesamt ein sehr ulkiges Bild, diese ganzen Läufer mit Fahrradhelm, davon die Meisten auch mit Stirnlampe. Wie Letztere am, im oder unter dem Fahrradhelm befestigt wurden, war lediglich durch physikalische Gesetzmäßigkeiten, sicher aber nicht durch die Phantasie manches Trägers beschränkt… :o)

Zwei „Körbe“ brachten die Starter in wenigen Minuten nach unten. Im Gegensatz zu einem mordernen Gebäudeaufzug wirkte allerdings alles etwas „rustikaler“ und industrieller. Auf den Ohren machte sich ein Druckunterschied bemerkbar. Ich war jetzt schon überzeugt, dass mein Höhenmesser funktionieren würde.

Unten angekommen, bestaunten wir Neulinge erst einmal die Größe der „Empfangshalle“, aus der links und rechts diverse Gänge verzweigten. Vermutlich sieht so auch ein Ameisenhaufen von innen aus! :o) Etwa 100 Meter gerade durch die Halle hindurch, kamen wir zum Veranstaltungszentrum, in dem es eine Kegelbahn, einen Konzertsaal, einen Ausschank und sanitäre Anlagen gibt. Hier waren viele Bierzeltganituren und ein großer Tisch aufgebaut, auf dem alle Sportler ihre mitgebrachten Taschen abstellten und sich schnell entkleideten, da es hier in warmer Kleidung deutlich zu warm war. 700 Meter unter Tage ist es ca. 24-26 Grad warm. Lediglich direkt am Zugangschacht und an den Wetterschächten ist es etwas kühler.

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An den Toiletten bildeten sich die üblichen Warteschlangen. Einige der anstehenden Starter – bekannte Gesichter aus unserem Hotel – stellten ihre Forerunner Uhren ein. Ich konnte es mir nicht verkneifen, zu fragen: „Und? Guten GPS-Empfang?“… :o) Meine Polar-Uhr mit Fußsensor hat auch unter der Erde „guten Empfang“…

Kurz vor 10 Uhr begaben wir uns zum Startbogen. Der Startschuss fiel pünktlich, und die Läufermeute setzte sich in Bewegung. Anfangs war noch etwas Gedrängel angesagt, da das Läuferfeld aus dem breiten Startbereich direkt in die engeren Tunnel abbog. Wie das Höhenprofil bereits versprochen hatte, ging es dann sofort in den ersten Anstieg. Die Beleuchtung war deutlich spärlicher als im „Empfangsbereich“ und ich schaltete direkt meine Stirnlampe an. Ich kann nur jedem empfehlen, nicht ohne Lampe zu starten, da es stellenweise schon sehr dunkel in den Gängen ist, und man nicht immer mit anderen Läufern gemeinsam unterwegs ist. Ein kurzer Kontrollblick auf meinen Pulsmesser zeigte mir, dass ich etwas flott unterwegs war. In Anstiegen kann ich das eigentlich ganz gut verkraften, sofern dann die Herzfrequenz im Abstieg wieder entsprechend absinkt. Der Mittelteil fühlte sich jedenfalls deutlich mehr bergauf an als im Höhenprofil des Veranstalters und es gab einen kleinen biestigen Anstieg, den ich im Originalhöhenprofil gar nicht gefunden habe. Den Abschluss der Runde ging es mit einem super laufbaren Gefälle Richtung Ziel zurück. Hier konnte ich locker unter 4 Minuten pro km laufen, allerdings ging meine Herzfrequenz deshalb auch nicht so weit herunter wie eigentlich nötig… Ein kurzer Anstieg und wir liefen wieder durch den Start-Ziel Bereich. Beginn der zweiten Runde.

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Die erste Runde lang sortierte sich das Läuferfeld und ich hatte meistens noch Mitstreiter um mich herum. Die zweite Runde war ich schon deutlich mehr alleine unterwegs und hatte mehr Zeit, mir die „Gegend“ anzuschauen. ;o) An einer Stelle säumten ausgediente Lastwagen den Rand der Strecke. Zersägt in Einzelteile sind diese Lastwagen in das Bergwerk hinab gebracht und hier unten wieder zusammengeschweißt worden. Ans Tageslicht werden sie nie wieder kommen, da Metall, das einmal dem Kali-Bergwerk ausgesetzt war, an der Erdoberfläche beliebig schnell oxydiert.

Das Gangsystem verläuft „merkwürdig“ (rauf, runter, links, rechts – also 3D), es gibt viele Abzweigungen, und ich würde mich ohne Karte oder Wegmarkierungen nicht zurechtfinden. Auch konnte ich in der zweiten Runde nicht alle Abschnitte wiedererkennen. Zwei markante Stellen fielen durch die dort austretenden Wetterrohre auf, aus denen frische Luft hineinströmte. Der Luftzug wirbelte offenbar Staub auf, und kleine Salzkristalle glitzerten im Licht meiner Stirnlampe. Nett anzusehen!

Auf der zweiten Hälfte der zweiten Runde begannen bereits die Überrundungen. Ich war überrascht, so schnell schon auf andere Läufer aufzulaufen. Für mich war das Überrunden eine völlig neue Erfahrung, da ich noch nie bei einem Rundkurs mit mehreren Runden gestartet war. Mit zunehmender Rundenanzahl nahmen die Überrundungen zu. Eigentlich kein Problem, lediglich in Runde fünf kam ich dadurch im Mittelteil der Strecke an eine „geplünderte“ Verpflegungsstation und bekam keinen aufgefüllten Wasserbecher. Rückblickend würde ich eher ein paar Sekunden warten als weiterzulaufen – wie ich es gemacht habe.

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In Runde fünf konnte ich erstmals merken, dass mir die Kombination aus Geschwindigkeit, absolvierten Steigungen, trockener Luft und Flüssigkeitsverlust zusetzten. Die Steigungen laufen strengte mich mittlerweile ordentlich an, und ich ertappte mich kurz im Steilstück mit einer 187er Herzfrequenz auf der Uhr. Also: Zu schnell. Ich reduzierte das Tempo ein wenig und bekam die Herzfrequenz wieder in einen „erträglichen“ Bereich.

In Runde sechs passierte es dann: Im Abstieg nach der ersten Steigung durchzuckte es meinen Oberschenkel. Schei… Ansatz eines Krampfs. Sofort Tempo raus. Zum Glück machte der Oberschenkel nicht richtig zu. Das folgende Steilstück ging ich schnell hoch und lief in der Folge vorsichtig mit etwas reduziertem Tempo weiter. Was tun? Ich war schließlich für den Marathon angereist. Sollte ich abbrechen und mit der 3/4-Wertung aussteigen (so der Teufel links auf der Schulter) oder sollte ich mich durchbeißen und über die letzen beiden Runden quälen (so der Engel auf der rechten Schulter)?! Abbrechen ist eigentlich überhaupt nicht mein Ding. Da sich der Oberschenkel aber komisch anfühlte, habe ich mich letztlich dazu entschlossen, aus dem Rennen auszusteigen. Sehr ärgerlich. :o( Im Nachhinein betrachtet war es aber die richtige Entscheidung, da ich auch nach ein paar Tagen noch ein leichtes Ziehen spürte.

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Wie ich später erfuhr, lag ich auf Platz 22. Vielleicht hätte ich, sofern ich weiter gelaufen wäre, aufgrund meiner hohen Geschwindigkeit am Anfang noch ein paar Plätze eingebüßt, ein Platz unter den ersten 30 hätte aber drin sein müssen, da auch die anderen Läufer auf den letzten Runden Federn gelassen haben. Egal. Blick nach vorne: Nächstes Jahr geht es daher zum zweiten Versuch ins Bergwerk. :o) Ein kleiner Trost: Auf der 3/4-Wertung über 31,62 km habe ich den ersten Platz erreicht.

Warum ich einen Krampf bekommen habe? Vermutlich aufgrund einer Mischung verschiedener Dinge: Der Frankfurt-Marathon lag erst fünf Wochen zurück, ich habe extrem viel Wasser und vermutlich auch Mineralien verloren (siehe weiter unten) und ein paar Tage vorher hätte ich mich auf einem matschigen Sportplatz fast auf den Bart gelegt, und mich nur knapp auffangen können – was leider auch in besagtem Oberschenkel gezwickt hat.

Allgemeines:

Verpflegungsstellen gibt es auf der 5,27 km langen Runde zwei Stück: Eine etwa auf der Hälfte der Strecke, eine im Zielbereich. Aufgrund der niedrigen Luftfeuchtigkeit von rund 30 % ist diese engmaschige Versorgung auch erforderlich! Es ist kaum vorstellbar, wie durstig die trockene Luft macht. Ich war froh, zusätzlich noch meine Getränkeflaschen dabei zu haben und so auch zwischendurch den ein oder anderen Schluck Iso zuführen zu können.

Gewöhnungsbedürftig war anfangs der rutschige Boden. Es gibt glattgefahrene Fahrrinnen aus Stein (oder Salz?), die teilweise leicht rutschig  sind. Der Mittelstreifen besteht in der Regel aus einer dickeren Staubschicht, die ebenfalls rutscht, besonders in den steilen Anstiegen. Für mich habe ich die Grenzbereiche zwischen Fahrspur und Mittelstreifen als Bereich mit der besten „Bodenhaftung“ identifiziert.

Für Interessierte anbei noch die Auswertung aus meiner Polar Uhr:

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Fazit:

Wer sich anmeldet, sollte sich auf einen knüppelharten Marathon einstellen! Es gibt eigentlich keine flachen Passagen, auch wenn das Höhenprofil des Veranstalters den Anschein erweckt. Staucht man das Profil allerdings auf einen „normalen“ Maßstab für eine 5 km Strecke, offenbart das Profil sein wahres Gesicht. Da es praktisch nur rauf oder runter geht, ist die Strecke schon recht anspruchsvoll.

Aus meiner Sicht gravierender ist allerdings die trockene Luft. Ich habe während des Marathons ca. 4 kg Körpergewicht verloren, was bei mir einem Gewichtsverlust von über 5 % entspricht. Ich habe versucht, mir an den Verpflegungsstellen jeweils zwei Becher Wasser zu greifen, so dass ich netto (also nach Verplempern) von einer Zufuhr von 150 ml je Station ausgehe. Bei 12 abgelaufenen Stationen sind das immerhin 1,8 Liter. Hinzu kommen ca. 500 ml, die ich aus meinen Flaschen getrunken hatte. Man kann also von einem Brutto-Flüssigkeitsverlust von über 6 Litern ausgehen, was – selbst für mich als Transpirator – schon eine echte Hausnummer ist. Ich werde definitiv wieder Eigenverpflegung mitbringen und auch noch zusätzlich etwas Salz in meine Getränke mischen.

Untertage laufen macht enorm Spaß! Mit Lampe und Helm durch die halbdunklen Gänge zu laufen ist einfach total anders. Ich hatte nie ein Gefühl von Enge oder einen komischen Eindruck, weil ich enorm tief unter der Erde war. Vermutlich auch deshalb, weil man Tiefe im Gegensatz zur Höhe nicht aktiv wahrnehmen kann. :o)

Kompliment an den SC-Impuls für die tolle Idee, ein solches Event an einer solch ausgefallenen Stelle auf die Beine zu stellen! Beide Daumen nach oben!

Vielen Dank an Christoph, der einen Großteil der obigen Fotos geschossen hat.

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