Sportmedizinische Betreung? Das ist doch nur etwas für Leistungssportler. So denken sicher viele Breitensportler. Ich habe auch so gedacht, bin mittlerweile aber zu ganz anderen Schlussfolgerungen gekommen:
Wieso macht eine sportmedizinische Betreuung also nicht nur im Leistungssport Sinn?
1. Weil Vorerkrankungen des Herz-Kreislaufsystems erkannt werden können!
Laufen ist als Ausdauersport grundsätzlich erst einmal gesund, da nachgewiesenermaßen das Herz-Kreislaufsystem gestärkt und damit das Risiko einer Erkrankung an einer der typischen Volkskrankheiten gesenkt wird.
Laufen ist aber auch gleichzeitig eine belastende Sportart, insbesondere für Laufanfänger oder auch für Läufer, die ihr Trainingspensum ambitioniert steigern. Speziell mit steigendem Alter (ab 35 aufwärts) – und dem damit einhergehenden Risiko von unbemerkten Vorerkrankungen des Herz-Kreislaufsystems – raten Mediziner zu regelmäßigen, sportmedizinischen Gesundheitschecks.
2. Weil die Leistungsfähigkeit des Sportlers bestimmt wird und ein darauf abgestimmtes Training aufgebaut werden kann!
Im Rahmen einer Leistungsdiagnostik wird durch einen Stufenbelastungstest ermittelt, auf welchem Niveau sich ein Sportler befindet. Ausgehend von den Ergebnissen dieses Tests können Sportmediziner die individuellen Herzfrequenzbereiche sehr genau festlegen und dem Sportler so helfen, seine Zielsetzungen – durch Training in den passenden Herzfrequenz-Bereichen – bestmöglich zu verfolgen.
3. Weil ein abgestimmtes Training zu enormer Leistungssteigerung gleichzeitig aber nicht zur Überlastung führt!
Ein abgestimmter Trainingsplan, der ergänzend zur Leistungsdiagnostik erstellt werden kann, hilft dem Sportler seine Leistungsfähigkeit enorm zu steigern, gibt gleichzeitig aber auch genug Regeneration vor, so dass man nicht im Übertraining oder einer Infekthäufung landet. Vielmehr bekommt man als Sportler aufgezeigt, dass effektives Training mit verhältnismäßig wenig Aufwand möglich ist!
Leistungschecks bieten Sportärzte an, können jedoch auch in sportmedizinischen Abteilungen von Krankenhäusern durchgeführt werden, z.B. durch die Sportklinik Hellersen, durch die ich mich betreuen lasse.
Wieso schreibe ich diese Zeilen?
Weil ich hoffe, dass ich andere Sportler früher dazu motivieren kann, sportmedizinischen Rat einzuholen als ich es selbst gemacht habe. Hätte ich 10 Jahre früher eine sportmedizinische Beratung in Anspruch genommen, hätte ich Ausdauersport auf einem anderen Niveau erleben können. Stattdessen habe ich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann – und das, obwohl ich die Grundlagen der Trainingslehre aus dem Sportleistungskurs eigentlich kannte (und doch geflissentlich ignorierte)…
Welche Fehler habe ich gemacht?
Im Nachhinein würde ich die Stagnation meiner Leistung insbesondere auf die folgenden drei Fehler zurückführen:
1. Linearer Anstieg der Trainingsbelastung
Ich habe früher trainiert, ohne großartig auf eine mikro- und makrozyklische Ausgestaltung und Periodisierung meines Trainings zu achten. Das einzige Prinzip, das ich beachtet habe, ist das der ansteigenden Belastung. Training funktioniert ja nur dann, wenn der Umfang über den Zeitverlauf gesteigert wird, da sich der Körper den Trainingsbelastungen versucht anzupassen. Da ich drei Belastungswochen keine Adaptionswoche habe folgen lassen, war mein Körper letztlich überlastet. Ergebnis: Infektanfälligkeit.
Die erste Grafik zeigt typisiert meine lineare Belastungssteigerung über den Verlauf mehrerer Wochen:
Die zweite Grafik zeigt den idealtypischen Verlauf mit Einschub einer Regenerationswoche nach drei jeweils ansteigenden Belastungswochen (so oder ähnlich sollte man trainieren – der Körper braucht Erholungsphasen!):
2. Kein Tempotraining/Intervalltraining
Ich habe zwar oft davon gelesen, Tempotraining in meinem Training allerdings immer sträflich ignoriert. Wie ich dieses Jahr gesehen habe, bringen einen aber gerade diese Trainingseinheiten (Tempodauerlauf, Intervalltraining) in der Geschwindigkeit gewaltig nach vorne. Speziell Intervalltraining belastet den Körper enorm. Gefühlt hatte ich allerdings den Eindruck, bereits eine Woche später in den extensiven Dauerläufen jeweils schneller unterwegs gewesen zu sein als vor dem Intervalltraining.
Zusätzlich zu den natürlich überwiegenden Grundlagenläufen benötigt der Körper Belastungsreize. Als besonders effektiv gelten dabei Belastungen im Bereich der IAS (individuelle anaerobe Schwelle). Hier Beispielhaft ein Herzfrequenzdiagramm einer meiner intensiven Dauerläufe. Es ist gut zu erkennen, dass die Herzfrequenz dauerhaft im gelben Bereich ist:
3. Unzureichendes Tapering
Unter Tapering wird die Erholungsphase direkt vor einem Wettkampf verstanden. Ich habe diese Erholungsphase immer zu kurz angesetzt und habe die Betonung der Erholung auf die letzte Woche vor dem Wettkampf gelegt, in der ich dann gar nichts mehr gemacht habe. Dass beides falsch war, habe ich mittlerweile verstanden… :o)
Wie kam es dazu, dass ich mich auf einmal sportmedizinisch beraten ließ?
Vor einigen Jahren hatte ich in einer Laufzeitschrift einen Bericht über den Swiss-Alpine-Marathon gelesen und damals bereits festgestellt: Da muss ich hin!
Da ich in den dazwischen liegenden Jahren bereits einige Landschaftsläufe mit vielen Höhenmetern gesammelt hatte, fühlte ich mich „bereit“ für einen Alpenmarathon, wollte aber gleichzeitig eine gesunde Vorbereitung durchführen und meinen Körper nicht hochalpin überstrapazieren. Also entschloss ich mich zu einer Leistungsdiagnostik samt Trainingsplanung durch die Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid.
Wie läuft eine Leistungsdiagnostik ab?
Bei der Leistungsdiagnostik wird man ziemlich auf den Kopf gestellt. Neben einer Befragung zur allgemeinen Gesundheit wird u.a. der Körperfettanteil bestimmt, Blutdruck gemessen, eine Blut- und Urinprobbe genommen sowie ein Ruhe-EKG und eine Echokardiografie durchgeführt. Anschließend geht es zu einem Gespräch mit dem Internisten, der dann letztlich bei der Erstuntersuchung auch grünes Licht für die Leistungsdiagnostik geben muss.
Die Leistungsdiagnostik wird in Hellersen sportartenspezifisch durchgeführt. Das heißt: Läufer gehen auf ein Laufband, Radfahrer auf ein Ergometer etc. Das ist wichtig, da bei den Sportarten unterschiedliche Muskelgruppen genutzt werden und dadurch das Ergebnis nachhaltig beeinflusst wird.
Auf dem Laufband wird ein Stufenbelastungstest mit Spiroergometrie (Atemgasanalyse) und Belastungs-EKG (nicht bei Kontrollen) und Stufen-Laktattest durchgeführt. Der Test besteht aus einzelnen Belastungsstufen mit konstanter Dauer (drei Minuten). Auf jeder Stufe wird – beginnend bei einer Geschwindigkeit von 6 km/h (abhängig vom Trainingszustand auch höher) – die Geschwindigkeit um 1 km/h erhöht. Zwischen den einzelnen Belastungsstufen sind kurze Pausen von konstanter Dauer, in denen Blutproben aus dem Ohr entnommen werden, um den Anstieg des Laktats zu messen.
Der Test kann bis zur subjektiven Ausbelastung durchgeführt werden, also bis zu der Geschwindigkeit, deren Stufe man nicht mehr in der Lage ist durchzulaufen. Zur Sicherheit trägt man während des Tests einen Gurt, damit man – im Extremfall – nicht auf das Laufband stürzen kann.
Ein Laufbandtest hat also in gewisser Weise etwas von Intervalltraining, und man ist im Anschluss ziemlich kaputt. :o)
Im direkten Anschluss an die Leistungsdiagnostik kann man schon seinen maximalen VO2max-Wert erfahren. Dieser Wert gibt die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit in Relation zum Körpergewicht wieder und ist ein guter Indikator für die Leistungsfähigkeit eines Sportlers. Auf dieser Basis und der Basis der gemessenen Laktatwerte werden anschließend die Herzfrequenzzonen des Sportlers individuell festgelegt.
Einige Tage nach der Leistungsdiagnostik enthält man eine Analyse zur Sportfähigkeit und die individuellen Herzfrequenzzonen, so dass man anschließend das Training fundiert in regenerative, extensive, intensive Dauerläufe und Läufe im Renntempo einteilen kann. Wesentliches Element der Analyse ist auch die IAS (die individuelle anaerobe Schwelle). Dieser Wert kennzeichnet die Herzfrequenz, bei der Bildung und Abbau von Laktat gerade noch im Gleichgewicht sind. Sprich: Läuft man mit höherer Herzfrequenz, wird mehr Laktat produziert als abgebaut werden kann; der Muskel wird „sauer“ und die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Maßvolles Training im Bereich der individuellen anaeroben Schwelle verspricht allerdings auch enorme Leistungszuwächse, so dass man mit der IAS eine wertvolle Größe für zielgerichtetes Training an die Hand bekommt!
Nachfolgend noch ein Herzfrequenzdiagramm zu einem meiner Laufbandtests. Es ist gut zu erkennen, dass die Belastung mit jeder Stufe etwas zunimmt… :o)
Trainingsplanung
Ergebnis der Leistungsdiagnostik sind Herzfrequenzzonen, innerhalb derer sich ein sinnvolles Training auf dem gegenwärtigen Leistungsniveau abspielen sollte. Die Bestimmung der Zonen macht natürlich nur dann Sinn, wenn man diese anschließend im Training auch berücksichtigt. Grundsätzlich braucht der Körper neben effektiven Trainingsreizen auch ausreichende Erholungsphasen. Wenn beides nicht passend aufeinander abgestimmt ist, überfordert man den Körper und landet schlimmstenfalls im Übertraining, erreicht zum falschen Zeitpunkt den Formhöhepung oder aber unterfordert den Körper und lässt Potenzial unausgeschöpft. Die meisten (auch ambitionierten) Hobbysportler (mich eingeschlossen) werden überfordert sein, sich selbst einen Trainingsplan zu erstellen – der optimal abgestimmt ist – da im Zweifel nicht ausreichend Know-How vorhanden ist.
Effektive Trainingspläne berücksichtigen die von mir oben skizzierten Fehler – natürlich im positiven Sinne… :o)
Es ist daher ratsam, Trainingspläne professioneller Trainier zu nutzen. Bezogen werden können solche Trainingspläne von verschiedenen Stellen:
Laufzeitschriften
Oft findet man Standardpläne für bestimmte Zeitvorgaben in Laufzeitschriften. Diese Pläne gehen allerdings nur bedingt (durch Auswahl eines passenden Plans nach eigenem Ermessen) auf das eigene Leistungsvermögen ein und sind logischerweise starr.
Spezialisierte Internetseiten (2Peak.de, Greif.de)
Über spezialisierte Internetseiten gibt es die Möglichkeit, passende Standardpläne zu kaufen oder auch individualisierte Pläne erstellen zu lassen. Je nach Gebühr sind die Pläne zudem interaktiv, so dass ein Trainingsausfall oder ein intensiveres Training vermerkt werden kann und der Plan daraufhin wieder angepasst wird.
Individualisierte Trainingspläne
Durch die sportmedizinische Abteilung der Sportklinik Hellersen können kostenpflichtig Trainingspläne erstellt werden, die den eigenen Trainingsstand und den/die angestrebten Saisonhöhepunkte berücksichtigen.
Sinnvoll sind in diesem Zusammenhang wiederholte Leistungstest zu verschiedenen Zeitpunkten des Trainingsplans, da effektives Training zu einer Ökonomisierung des Laufens (schneller mit geringerer Herzfrequenz) und einer Verschiebung der IAS (individuelle anaerobe Schwelle) nach oben führt. Durch die Verschiebung der IAS können Läufe im Grundlagenausdauerbereich mit einer höheren Herzfrequenz gelaufen und intensive Dauerläufe müssen eben auch mit einer nach oben korrigierten Herzfrequenz absolviert werden, da sonst der gewünschte Trainingseffekt ausbleibt. Nur durch wiederholte Tests kann man diese Anpassungen des Körpers genau erfassen und darauf reagieren.
Für Läufer, die erstmalig das Ziel Marathon verfolgen, bietet die Sportklinik Hellersen das Marathonprojekt an. In diesem Projekt können die großen Herbstläufe (Köln, Frankfurt etc.) mit Erstcheck, Trainingsplan und mehrmaliger Kontrolle zu einem Pauschalpreis angegangen werden. Mehr dazu auf den Seiten der Sportmedizin Hellersen, Marathonprojekt.
Nachfolgend ein harmloses Beispiel aus meinem Trainingsplan (zweite Woche meiner Vorbereitung auf den Alpen-Etappenlauf 4-Trails):
Fazit
Die besten Tests und Trainingspläne nützen nichts, wenn diese nicht mit dem nötigen Ehrgeiz umgesetzt werden. Es gilt also den inneren Schweinehund auch bei schlechtem Wetter zu überwinden oder aber auch bei noch so tollem Wetter die Laufschuhe in der Ecke stehen zu lassen, wenn im Trainingsplan ein Ruhetag steht etc.
Mir hat der Trainingsplan einen enormen Schub gegeben, ich habe mich aber auch ziemlich eisern an die Umsetzung des Plans gehalten.
In diesem Sinne: Frohes Training und gute Wettkämpfe!